Schweizerisch-Italienischer Austausch
Italien schenkte uns die Pizza und schickte ihre grössten Fussballer zu uns in die Schweiz. Und wir? Wir haben immerhin ihren «calcio» gross gemacht!
216 Italiener liefen bis heute in der höchsten Schweizer Liga auf. In der heutigen dieci Challenge League, waren es sogar 307. Kein anderes Land exportierte auch nur annähernd so viele Fussballer in unsere Meisterschaft wie unser südlicher Nachbar. Darunter waren sogar Stars, die in Italien fast ebenso beliebt waren wie die Pizza.
Da war etwa Marco Tardelli. Der Mittelfeldspieler war eine prägende Figur bei Italiens Weltmeistertitel 1982. Die Bilder des ausgelassenen Jubels nach seinem Tor im Finale gegen Deutschland gingen um die Welt. Fünf Jahre später spielte diese Ikone tatsächlich für den FC St. Gallen. Gleichzeitig stand für Ligakonkurrent Lausanne Giancarlo Antognoni auf dem Platz, auch er wichtiger Teil der Weltmeistermannschaft von 1982!
Wer sich vorzustellen versucht, wie spektakulär diese Transfers waren, der stelle sich nur mal die französischen Weltmeister Paul Pogba und Antoine Griezmann heute im St. Gallen- oder Lausanne-Trikot vor …
Auch in jüngerer Zeit vermochte die Schweiz noch Weltstars anzulocken. Gennaro Gattuso, zweifacher Champions-League-Sieger mit Milan, kam 2012 zum FC Sion. Sein Teamkollege beim WM-Titel 2006, Gianluca Zambrotta, hatte Trophäen mit Juventus und Barcelona gewonnen, ehe er zum kleinen FC Chiasso in die Challenge League stiess. Und jetzt Mario Balotelli beim FC Sion, italienischer und englischer Meister, EM-Finalist, eine der schillerndsten Figuren des Weltfussballs.
Die Italiener schickten uns eine Handvoll ihrer allergrössten Fussballer. Und dem nicht genug: Sie brachten uns auch die Pizza.
Grossen Einfluss daran, dass wir diese Spezialität auch hierzulande so geniessen können wie im Herkunftsland, hatte ein Italiener, der 1979 nach Rapperswil kam: Rocco Delle Colli. Am meisten vermisste er das Essen aus seiner Heimat. So sehr, dass er regelmässig nach Genua fuhr, um wieder einmal eine authentische Pizza essen zu können. 1990 – die Fussballweltmeisterschaft machte gerade Halt in Italien – eröffnete Rocco Delle Colli am Zürichsee sein eigenes Restaurant. Der Name: «dieci», benannt nach der mythischen Rückennummer der magistralsten Fussballer wie Maradona, Michel Platini oder Roberto Baggio. Heute führt dieci drei Restaurants, fünf Gelaterias und 40 Pizza-Kuriere, die dafür sorgen, dass Schweizerinnen und Schweizer nicht mehr Hunderte von Kilometern weit fahren müssen, um echte «italianità» zu kosten.
Wir holten also aus Italien das leckere Essen und weltberühmte Sportler. Und was bekamen unsere südlichen Nachbaren im Gegenzug? Nun, man könnte sagen, diese fussballerischen Exporte waren eine Art Dank dafür, dass die Schweiz mitgeholfen hat, Italiens Fussball gross zu machen. Wie bitte?
Inter Mailand – ein helvetisches Team
Tatsächlich waren die Schweizer um 1900 herum sehr begehrte Verstärkungen. Beim CFC Milan – der heutigen AC Milan – trugen die Spieler Namen wie Bosshard, Rietmann, Maner oder Wipf. Und diese Schweizer waren gut. Zu gut sogar für die Italiener, denn sie gewannen fast immer. Nach Protesten wurde die Liga zweigeteilt: eine für Italiener, in der anderen durften auch Ausländer mittun. 1908 hatten die Schweizer in Mailand genug von der Diskriminierung und gründeten einen eigenen Verein und nannten ihn FC Internazionale Mailand, der Name sollte die Offenheit für andere Nationalitäten symbolisieren. Bereits zwei Jahre später wurde Inter das erste Mal Meister, die Teamstützen hiessen Engler, Peterli, Schuler, Zoller, Jenni oder Aebi. Und Schweizer prägten auch weiterhin die Serie A: Bis zum Zweiten Weltkrieg liefen 145 von ihnen dort auf.
Wenn Sie also das nächste Mal eine feine Pizza geniessen und Sie das schlechte Gewissen plagt, weil wir den Italienern diese Delikatesse «geklaut» haben: Denken Sie immer daran, dass ihr «calcio» erst dank uns so gross werden konnte!