FC Aarau: Die Unaufsteigbaren?

18.03.2022

Lange gehörte der FC Aarau zum Inventar der Super League. Mit dem Wiederaufstieg wollte es aber nie klappen. Nun ist beim FCA alles anders – und plötzlich schaut es sehr gut aus.

Es gab eine Zeit, da trug der FC Aarau den Übernamen «Die Unabsteigbaren». Und den hatten sie sich redlich verdient. 1982 gelang den Rüebliländer nach fast 50 Jahren endlich wieder der Sprung in die höchste Liga, die damalige Nationalliga A. Vor jeder Saison galten sie dort als Abstiegskandidat, jedes Jahr überraschten sie von neuem. 9 Mal mussten sie in die Abstiegsrunde, 9 Mal konnten sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen. Nur einmal, in der Saison 2001/02, wären sie tatsächlich abgestiegen – wären nicht Lausanne, Sion und Lugano alle zwangsrelegiert und Aarau so gerettet worden. Unabsteigbar eben.

 

Der FCA begnügte sich allerdings nicht einfach damit, «unabsteigbar» zu sein. 1985 gewann er zum ersten Mal den Cup, 1993 wurde er unter Trainer Rolf Fringer gar Meister – eine der grössten Überraschungen der Schweizer Fussballgeschichte – und brachte die grosse AC Milan in der Champions-League-Qualifikation an den Rand des Ausscheidens. Nach diesen Erfolgen war es ein grosser Schock, als der «unabsteigbare» FC Aarau 2010 tatsächlich in die Challenge League runter musste. Und nach einem kurzen Comeback in der Super League 2015 gleich nochmals.

 

In der Challenge League ging der FC Aarau nun stets als Aufstiegsfavorit ins Rennen. Trotz zahlreicher auf höchster Stufe erprobter Spieler wie Marco Schneuwly, Markus Neumayr oder Gilles Yapi scheiterte der FCA Jahr für Jahr und nicht selten deutlich. Nur einmal war er wirklich nahe dran: Im Mai 2019 standen die Aarauer nach einem 4:0-Auswärtssieg gegen Xamax in der Barrage schon mit einem Bein in der Super League, verloren aber das Rückspiel im Brügglifeld mit dem gleichen Resultat und scheiterten schliesslich im Penaltyschiessen. Ein Drama. Waren die Unabsteigbaren etwa zu den Unaufsteigbaren geworden?

Der Präsident arbeitet gratis

 

So weit wollte man es beim FCA nicht kommen lassen – und erfand sich kurzerhand rundum neu. Als Präsident übernahm der langjährige Fan Philipp Bonorand, ein Tierfutterproduzent, der sich für sein Amt keinen Rappen auszahlt. Trainer wurde der frühere Aarau-Spieler Stephan Keller, der lange in Holland im Nachwuchsbereich gearbeitet hatte. Ein fordernder Coach mit Sinn für schrägen Humor, wie er kürzlich bewies, als er für ein Fotoshooting mit dem Dresscode «Anzug» im Taucheranzug erschien.

 

Bild: TeleM1

Und vor allem ist wieder viel mehr Aarau im FCA. Lange versuchte es der Klub mit renommierten und erfahrenen Spielern, die es anderswo nicht ganz geschafft hatten. Heute setzt man ganz auf die eigene Jugend. Gleich 9 (!) Spieler im Kader dieser Saison sind Eigengewächse und durchliefen die Aarauer Nachwuchsabteilung. In keinem anderen Klub der dieci Challenge League sind es nur annähernd so viele. Das Vertrauen zahlen die Jungspunde zurück: Hinten räumt Verteidiger Raoul Giger alles ab, im Mittelfeld zieht Silvan Schwegler die Fäden und vorne trifft Kevin Spadanuda fast nach Belieben. Und plötzlich grüsst der FCA wieder von der Tabellenspitze – zum ersten Mal seit fast 10 Jahren!

 

Einmal mehr zeigt sich: Fussball ist eben doch irgendwie wie Pizza. Es genügt eben nicht, die besten Zutaten zu haben, sie müssen auch zusammenpassen, damit daraus ein schmackhaftes Gericht wird. Bei FC Aarau passt gerade alles, das Resultat ist nicht nur schmackhaft, sondern eben auch: aufstiegbar.

 

Übrigens: Bis dieci auch Aarau mit Pizzas versorgen konnte, dauerte es länger als erwartet. Erst musste im alten Haus an der Laurenzvorstadt 131 nämlich der Fussboden verstärkt werden, um das Gewicht des schweren Pizzaofens auszuhalten. Seit über 8 Jahren kommen nun aber auch Aarauerinnen und Aarauer in den Genuss von «italianità a casa»!