«Dies wird mein letzter Klub sein»
Beitrag aus dem Zwölf-Magazin: Heft 98
Vor einem Vierteljahrhundert kam Didier Tholoz erstmals zum FC Sion, damals noch als Stürmer. Nun ist er bereits zum fünften Mal im Wallis. Im Interview erzählt der Trainer die Anziehungskraft des Klubs, was Pokern mit Fussball zu tun hat und was ihn am früheren Teamkollegen Zinédine Zidane am meisten überrascht.
Spätestens seit «Tschugger» weiss die Schweiz, dass es im Wallis nicht überall gleich heimelig aussieht. Zwar ragen in Riddes im Rhonetal die leicht bezuckerten Berge hoch in den Himmel. Umringt ist das Trainingsgelände des FC Sion aber zunächst von Strommasten, Containern und einem Baumarkt. Die Anfahrt durch die Kieswege dazwischen erinnert einen just an Tatorte in TV-Serien. Das Interview wurde kurzfristig um drei Stunden verschoben. Der Klub musste das Training nach hinten verlegen, weil der Rasen am Morgen gefroren war. Auskennen mit derartigem Gebastel hier tut sich Didier Tholot. Vor bald 27 Jahren kam er das erste Mal ins Wallis, vier weitere Anläufe hat er genommen, den letzten diesen Sommer, auch bei Basel und YB war er schon. Zeit für ein paar Fragen.
Didier Tholot, warum ist Sion letzte Saison abgestiegen?
(Überlegt) Ich wähle jetzt meine Worte mit Bedacht. Sagen wir es so: Du kommst in einem Betrieb nicht um gewisse Regeln herum. Es kann nicht sein, dass einer nur am Mittwoch ins Training kommt, weil er sonst gerade nicht konnte, und dann am Samstag Captain ist. Das Bild, das er für den Rest der Gruppe abgibt, ist verheerend.
Stimmt es, dass du die Bedingung gestellt hast, nicht mit Balotelli arbeiten zu wollen?
Ja, darüber haben wir diskutiert bei meinem Engagement. Ich habe von aussen ja gesehen, welches Klima durch ihn entstand. Wenn du als Trainer Erfolg haben willst, musst du die Karten selber in der Hand haben. Es darf nicht sein, dass einer deiner Angestellten mehr Gewicht hat als du. So lässt sich kein Team führen.
Du hast auch weitere Spieler gestrichen im Sommer.
Moment, ich habe überhaupt niemanden herausgeworfen! Jene, die gehen mussten, haben sich selber herausgeworfen. Ich habe Regeln aufgestellt. Wie in jeder anderen Firma auch. Wenn du die einhältst, dann kommen wir zusammen vorwärts, wenn nicht, ist das dein Problem. Manche wollten das nicht respektieren, und da habe ich keinen Millimeter nachgegeben. Wenn du um 9 Uhr mit deiner Arbeit beginnen solltest und du immer wieder um 9.10 Uhr oder 9.15 Uhr auftauchst, dann sagt man dir doch auch: «Monsieur, Sie sind hier angestellt.» Warum sollte das im Fussball anders sein?
Sind das Werte, die man dir schon früh mitgegeben hat?
Ich bin in der Auvergne aufgewachsen, einem Bergbaugebiet. Die Leute ticken ähnlich wie im Wallis, deshalb gefällt es mir hier auch so. Mein Vater war Landwirtschaftsmechaniker, er hatte seine eigene Firma. Wir mochten Fussball in der Familie. Die 70er waren die Zeit der grossen Saint-Étienne mit Curcovic, Piazza, Rocheteau, Larqué. Sie kamen in den Final des Meistercups, des Vorläufers der Champions League. Ganz Frankreich stand hinter dem Team. Es hatte eine Strahlkraft wie der PSG heute, aber 40 Kilometer von meinem Zuhause und mit Spielern aus der Region. Ich hörte die Live-Übertragungen im Radio, das hat meinen Traum entfacht.
Was meinten die Eltern dazu?
Profi-Fussballer zu werden war keine naheliegende Option. Sie liessen mich ins Probetraining nach Vichy, dort war eines der Leistungszentren des Verbands. Ihr seht: Das gab es in Frankreich schon damals. Mein Vater zahlte mir die Hinfahrt, mehr nicht. Aber ich schaffte es. Als wir im Internat Wochenende hatten, gingen die Mitschüler oft aus. Ich dagegen musste nach Hause in die Werkstatt, Maschinen putzen. Ich habe also hart arbeiten müssen. Das zieht sich durch meine Karriere hindurch. Ich war nicht extrem begnadet, sass zu Saisonbeginn jeweils häufig auf der Bank, habe mich dann ins Team reingekämpft und blieb drin.
Bei den Junioren hattest du die erste Begegnung mit einem späteren Weltstar.
Ja, Jean-Pierre Papin. Er wurde als Erster genommen, ich als Zweiter. Papin gewann Jahre danach den Ballon d’Or. Auch Pascal Olmeta war da, dieser bunte Hund von einem Goalie, der am liebsten dribbelte. Ich hatte immer wieder das Glück, mit fantastischen Spielern in einem Team zu sein.
Die Liste ist in der Tat lang: Zinédine Zidane, Bixente Lizarazu, Richard Witschge, Afrikas Jahrhunderttorhüter Joseph-Antoine Bell, der spätere Liverpool-Stürmer Titi Camara, Ligue-1-Rekordtorschütze Delio Onnis … Bist du neidisch?
Ich bereue nichts, ausser etwas: dass ich nie das Trikot der Nationalmannschaft trug. Die Aussicht dazu war da. Der damalige Nati-Trainer Aimé Jacquet ist in meinem Nachbarsdorf aufgewachsen. Er dachte daran, mich für die EM 1996 mitzunehmen. Aber es gibt diese kleinen Momente in einer Karriere, in denen alles kippen kann. Bei mir war es der 31. August 1995. Ich war unterwegs ins Training, ein Raser überfuhr ein Rotlicht und krachte in meinen Wagen. Sieben Rippen kaputt, zertrümmertes Knie, Hüftbruch. Die Ärzte zweifelten, ob ich überhaupt wieder auf den Platz zurückkehren könnte. Aber ich habe es geschafft.
Im darauffolgenden Frühling seid ihr mit Bordeaux in den UEFA-Cup-Final vorgedrungen. Auf dem Weg dahin warst du bei einem der grössten Spiele der Klubgeschichte mittendrin.
Wir hatten das Viertelfinal-Hinspiel im San Siro gegen Milan 0:2 verloren und drehten es zu Hause noch. Ich schoss das frühe Führungstor. Es war das schönste und hässlichste Tor meiner Karriere zugleich. Lizarazu flankte perfekt zur Mitte, ich musste den Ball nur über die Linie drücken, aber traf ihn überhaupt nicht richtig, der Goalie wehrte ihn fast noch ab. Bis heute werde ich darauf angesprochen. Aber klar, wir schlugen nun mal das damals beste Team der Welt mit George Weah, Roberto Baggio oder Paolo Maldini.
Wie war das möglich?
Im Prinzip führten wir schon beim Einlaufen. Während wir uns aufwärmten, spielten die Mailänder gegenüber locker fünf gegen zwei. Lizarazu rief uns zusammen und sagte: Schaut mal, die halten uns für Pfeifen. Und dann machten wir eine grossartige Partie. Wahrscheinlich hat auch geholfen, dass wir nach dem Hinspiel überhaupt keinen Druck mehr hatten. Eine Anekdote hab ich noch …
Bitte.
In der Woche vor dem Rückspiel waren wir in einem Strandort zur Vorbereitung. Nach dem Mittagessen blieben Trainer Gernot Rohr (später bei YB, die Red.) und der Staff noch etwas am Tisch, das Team stieg schon in den Car. Da setzte sich plötzlich Christophe Dugarry ans Steuer und fuhr los. Er hatte die Schlüssel geklaut! Solche Momente sind so wichtig. Bei aller individuellen Qualität: Zusammenhalt in einer Gruppe ist unersetzlich.
Auch Zinédine Zidane war Teil dieser Mannschaft. Deine Erinnerungen?
Sehr zugänglich und intelligent, aber auch recht scheu. Darauf, dass er einst Real Madrid trainieren würde, hätte ich jedenfalls keinen Rappen gewettet. Dafür brauchst du ja Charisma, Menschenführung. Offensichtlich hat er sich das aber angeeignet. Chapeau. Und spielerisch, klar: Er sah alles vor allen anderen. Ich erinnere mich, wie er mal kurz vor der Auslinie einen Haken machte und zwei heranstürmende Gegenspieler direkt in die Werbebande rannten. Später in Italien legte er auch physisch enorm zu. Beeindruckend fand ich bei ihm, dass nichts für die Galerie war. Alles hatte immer einen Sinn. Ich hatte auch andere begnadete Techniker als Teamkollegen, Ali Benarbia zum Beispiel. Aber ein Trick oder ein Dribbling sollte stets etwas bewirken, nicht Selbstzweck sein.
Das sagst du wahrscheinlich auch deinem in Sion aktuell besten, aber verspieltesten Spieler Ilyas Chouaref.
(Schmunzelt) Ganz genau.
Was hat dich 1997 zum ersten Mal ins Wallis gelockt?
Ich kam für die Champions League. Ich hatte mit Bordeaux den Europacup kennengelernt und wollte das unbedingt nochmals erleben.
Christian Constantin ging «all in», hatte ein Monsterkader zusammengestellt. Der Traum hielt genau 8 Minuten, dann lagt ihr gegen Galatasaray schon 0:2 hinten.
Es krachte alles recht schnell zusammen. Wir verpassten die Champions League, ich spielte nicht gut, im Winter war der Präsident weg. Dann wurde es noch schwieriger, auch finanziell.
Der Klub ging beinahe in Konkurs. Wird man da nicht wütend auf den Präsidenten?
Er hat sich immer ziemlich korrekt verhalten.
Wurdet ihr noch bezahlt?
Ja, aber ich habe meinen Vertrag neu verhandelt. Zwischendurch habe ich mich noch ausleihen lassen in die dritte englische Liga. Mit Sion sind wir dann 1999 abgestiegen. Das war nicht gerade der blühendste Teil meines Lebens. Aber er gehört wohl zu meiner Geschichte mit diesem Klub.
Dann kam der FC Basel mit Christian Gross.
Kick and Rush! Langer Ball auf Koumantarakis, er legte ab, ich wuselte drum herum und schoss die Tore. Es war eine tolle Zeit. Wenn ich auch Startschwierigkeiten hatte. Ich konnte kein Deutsch und kapierte nichts in der Garderobe. Wenn einer lachte, meinte ich, er lache wegen mir. Man hat dann die Tendenz, sich zu verschliessen. Diese Erfahrung half mir sehr für meinen heutigen Umgang mit ausländischen Spielern.
Viele Trainer, zum Beispiel Pep Guardiola oder einer deiner Nachfolger in Sion, Peter Zeidler, wollen nichts von einem Plan B hören. Sie sagen: Besser Plan A perfektionieren.
Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden. Ok, Guardiola zählt nicht, ihm stehen einfach die besten Spieler der Welt zur Verfügung. Aber wenn du nur eine Option hast, dann kannst du den Gegner irgendwann nicht mehr überraschen. Man studiert dich, man durchschaut dich.
Von welchen Trainern hast du besonders etwas mitgenommen?
Von den meisten (schmunzelt). Aber von Christian Gross habe ich tatsächlich viel gelernt. Er machte mir wieder bewusst, wie zentral Werte wie Arbeit und Disziplin sind. Ich erinnere mich, wie ich mal trotz fortgeschrittenen Alters in den Kondi-Tests die besten Werte hatte. Gross hat das dann der ganzen Mannschaft gezeigt. Einmal ging er mit uns zum Langlaufen, viele hatten das noch nie gemacht, auch ich nicht. Es war eine Katastrophe (lacht).
Auch du hast deine Spieler schon mal um 6 Uhr morgens aufgeboten. Funktioniert das noch?
Das kann man mal machen. Es kommt immer drauf an, was einem die Spieler gerade geben. Klar ist aber auch: Das Drumherum hat sich verändert, nicht nur im Fussball. Meine Kinder sind nicht wie ich, meine Enkelin ist es noch weniger. Da muss man sich anpassen. Früher gab es keine Handys in der Garderobe, heute musst du Kompromisse machen, etwa gewisse Zeiten festlegen oder nur Musikhören erlauben. Wenn du heute nur die harte Linie fährst, bist du tot. Wenn du dann auch noch verlierst, dann fliegst du schnell. Aber auf die Einhaltung von abgemachten Regeln poche ich.
Weshalb warst du in Basel Publikumsliebling?
Die Leute mochten mich wohl, weil ich immer alles gegeben habe, lange Locken trug und Tore schoss. Vor ein paar Jahren luden sie mich ins Joggeli ein zu einem Legendenspiel. So konnte ich mir doch noch den Traum verwirklichen, einmal im neuen Stadion zu spielen. Nach dem FCB ging ich noch kurz zu YB in die NLB, weil ich auch mit 36 weiterspielen wollte. Bei meiner Rückkehr nach Basel skandierten sie meinen Namen, und Ende Saison stiegen wir auf. Beides tolle Erlebnisse.
Du begannst deine Trainerkarriere bei Vevey. Warum?
Christian Constantin hatte da geschäftliche Beziehungen, er kannte den Präsidenten. Und da der jemanden suchte, fing ich in der 1. Liga als Spielertrainer an. Ein Jahr später durfte ich es in Sion versuchen.
Es war jene Saison, wo Christian Constantin zurückkehrte und vor Gericht um die Wiedereingliederung in die Challenge League kämpfte.
Er war überzeugt von seinem Sieg, und so trainierten wir jede Woche, als würden wir am Wochenende spielen. Ende Oktober bestritten wir in Italien ein Freundschaftsspiel gegen die zweite Mannschaft von Fiorentina. Da rief mich Constantin an: «Ich habe gewonnen, wir spielen in drei Tagen gegen Bulle.» Das Problem: Just in dem Testspiel verletzten sich zwei meiner Stürmer. Ich sagte ihm: «Ich habe niemanden.» Und er meinte nur: «Du musst ran.» Ich war fast 40 und hatte seit drei Monaten nicht mehr trainiert. Wir gewannen dann 1:0, ich schoss das Tor. Im Frühling musste ich aufhören, weil ich die nötigen Diplome nicht hatte. Ich kehrte nach Frankreich zurück, wo ich mit Libourne und einem gewissen Mathieu Valbuena in die Ligue 2 aufstieg.
Im Frühling 2009 holte dich Constantin zurück, abermals in einer sehr misslichen Lage. Sion war stark abstiegsgefährdet.
Als ich ankam, stand gerade der Cuphalbfinal in Luzern an, den Constantin selber coachte. Grundsätzlich mag ich solch schwierige Situationen. Da hast du als Trainer die Chance, dich zu profilieren. Wenn es dagegen super läuft, kannst du fast nur verlieren.
Deine Spieler für den Cupfinal hiessen Nwaneri, Fermino, Afonso … kaum einer hat nachher eine gute Karriere hingelegt.
Man muss ehrlich sein: Unsere Chancen in diesem Final lagen vielleicht bei 10 Prozent. YB spielte zu Hause und war extrem stark. Entscheidende Bedeutung hatte sicher das Anschlusstor von Goran Obradovic zum 1:2. Ohne dieses Tor verlieren wir. Und gewonnen haben wir auch wegen Carlos Varela.
Varela?
Er war einer ihrer besten Spieler, holte den Penalty zum 1:0 raus. Nur bekam er schon früh Gelb und liess sich bald so sehr vom Publikum provozieren, dass ihn Petkovic zur Pause rausnahm. Wäre er auf dem Platz geblieben, hätten wir nicht gewonnen.
In der darauffolgenden Saison war Constantin in der Blüte seiner berüchtigten Ausfälle. Er unterstellte einzelnen Spielern öffentlich, mit der Wettmafia unter einer Decke zu stecken. Er heuerte Privatdetektive an, um herauszufinden, wer wann im Casino war. Dich bezeichnete er als zu lieb und warf dir vor, falsch auszuwechseln. Das nimmt man dann einfach so hin?
Nein, ich nehme das nicht hin, es hat mich natürlich getroffen. Ich hatte zwar noch ein Jahr Vertrag, aber entschied mich dann zu gehen. Das war zwar genau das, was er provozieren wollte, doch ich bin keiner, der aufs Maul hockt. Ich habe meine Prinzipien.
Und trotzdem hat dich das nicht daran gehindert, 2015 und 2023 erneut in Sion anzuheuern. Warum tust du dir das an?
Ich bin kein Mensch, der vergisst. Dass ich heute als Trainer arbeiten darf, ist auch Constantins Verdienst, der mir als Erster die Chance gab. Wenn er mich also in der Winterpause anruft wie 2015 und sagt «Écoute, je suis dans la merde, tu viens?», dann sage ich zu. Schliesslich habe ich hier auch meine besten Momente als Trainer erlebt.
Aber du hast dir hier doch auch schon die Aufstellung diktieren lassen.
Das ist komplett falsch! Wir reden miteinander, aber nie hat mir der Präsident einen Spieler aufgedrängt. Wie es bei anderen Trainern war, weiss ich nicht.
Du sagtest einmal, du hegst keinen Groll gegen Constantin, er funktioniere in Zyklen. Wie meintest du das?
Der Vorteil mit ihm ist: Wir konnten immer offen reden. Er ist ein Fussballverrückter. Ob ich tatsächlich von Zyklen sprach, weiss ich nicht mehr, aber auf jeden Fall fehlt es ihm wie vielen ambitionierten Menschen an Geduld. Wenn du ein Haus baust, dann weisst du von A bis Z, wie das abläuft, es gibt keine Abkürzung. Im Fussball spielen Glück und Pech eine grosse Rolle, vieles ist irrational.
Aber der FC Sion ist noch einmal massiv irrationaler als der ganze Rest in der Schweiz.
Was ich hier am meisten bedauere: Er holt dich, wenn es schlecht läuft, du ziehst den Karren raus, gewinnst den Cup. Aber das ist ihm dann nicht genug. Er will mehr, und zwar sofort. Und dann endet es halt bald wieder. Wenn man in diesen Momenten etwas Zeit bekäme, realistischere Ziele setzen würde, könnte man mittelfristig deutlich mehr rausholen.
Du hast vorher vom Fussballmatch als Pokerspiel gesprochen. War der Cupfinal 2015 gegen Basel dein bestes?
Das ist schon ein tolles und auch seltenes Gefühl: Wenn du dir nach einem Match sagen kannst, dass alles so aufgegangen ist, wie du es geplant hattest. Jeder Planet kreiste in der richtigen Bahn. Wir hatten alles bis ins letzte Detail geplant und auch unsere Spielchen gespielt.
Welche?
Im Spielertunnel habe ich meine Jungs absichtlich zurückgehalten und die Basler zuerst einlaufen lassen. Wir folgten umgehend danach, sodass der Applaus des Basler Publikums von unseren Fans sogleich erstickt wurde. Auch mit der Presse habe ich im Vorfeld gespielt. Ich sagte zum Beispiel, man müsse gegen Basel abwarten, wir würden in einem 4-3-3 antreten. Aber wir spielten in einem 4-4-2 und pressten am Anfang zu zweit vorne wie die Verrückten. Wir wussten: Wenn wir in den ersten 15 Minuten in Führung gehen, erholen sie sich nur schwer. Konaté traf nach 18 Minuten, schliesslich gewannen wir 3:0.
Im Europacup seid ihr danach auf deinen Ex-Klub Bordeaux, aber auch auf Liverpool getroffen. Du giltst als grosser Klopp-Fan. Was fasziniert dich an ihm?
Er kann seine Spieler in einer Pressekonferenz auseinandernehmen und am nächsten Tag in den Himmel loben. Das nennt man Management. Er ist nah bei ihnen, aber gleichzeitig ihr Vorgesetzter. Dieser Grat ist extrem schmal. Du musst es hinkriegen, dass sie dich mögen und du gleichzeitig viel von ihnen verlangen kannst. Wenn dir das über so viele Jahre bei einem grossen Klub gelingt, und zwar nicht mit unendlichen Mitteln, dann ist das fantastisch. Damit holst du nicht nur Resultate, sondern du schaffst eine Identität, die den Klub mitprägt.
Wie viel Klopp steckt im Sion-Trainer?
Ich glaube, es ist schon sehr viel, wenn du mit all den Menschen in einem Klub einfach nur korrekt bist. Ich verspreche einem Spieler nie, ihn im übernächsten Match aufzustellen. Weil ich es schlicht nicht weiss, was dann sein wird. Aber ich sage ihm vielleicht: «Es läuft dir grad nicht so. Schauen wir später noch einmal.» Das scheint anzukommen. Ich habe jedenfalls zu vielen Spielern ein gutes Verhältnis, selbst wenn ich sie das eine oder andere Mal enttäuschen musste.
Du hast zuletzt den Pau FC mehrfach in der französischen 2. Liga gehalten. Frustriert dich, dass das nicht reicht für einen interessanteren Job in deinem Heimatland? In Bordeaux zum Beispiel wäre was frei gewesen.
Nein. Der Markt in Frankreich ist sehr geschlossen. Ein bisschen wie bei «Reise nach Jerusalem». Ich war mal Assistent von Claude Makélélé bei Bastia in der Ligue 1. Als er gehen musste, hätte ich bleiben können, zeigte mich aber solidarisch.
Nun trainierst du zum ersten Mal eine Mannschaft, die aufsteigen muss. Was ändert das?
Es macht natürlich mehr Spass. Die Herausforderung ist, dass fast die ganze Liga gegen den Abstieg spielt und darum im Tourbillon nur abwartet.
Wie hat sich das Verhältnis zwischen Trainer und Präsident verändert?
Constantin ist sicher ruhiger geworden, so hoffe ich zumindest. Ich denke, das Alter trägt seinen Teil dazu bei, dass man einander mehr respektiert und in Ruhe lässt.
Bringt er sich also weniger ein als früher? Es gibt ja mittlerweile auch noch seinen Sohn als Sportchef und Pablo Iglesias als Fussballdirektor.
Nein, wir telefonieren nach wie vor täglich. Ich tausche mich mit ihm über alles Mögliche aus. Wie es gerade läuft, wie das Training war. Ich habe die totale Freiheit, aber es interessiert ihn halt. Er ist mit Leidenschaft dabei.
Die Vergangenheit hat gezeigt: Wer um den Aufstieg spielen will, braucht eine erfahrene Mannschaft. Die Sion-Equipe ist im Schnitt rund 28 Jahre alt und somit klar die älteste der Liga. Wie kriegt ihr den Umbruch hin für eine allfällige Super-League-Saison?
Man muss differenzieren. Hinten standen wir bisher gut, und dann braucht es wenige Wechsel. Offensiv haben wir viele junge Spieler, die ich auch einsetze. Ich denke, wir sind nicht allzu weit weg vom Oberhaus. Schliesslich haben wir GC im Cup geschlagen. Wir könnten wohl 70 Prozent des Kaders behalten, und dann braucht es für den Rest zusätzliche Qualität, Physis, aber auch Erfahrung.
Bist du eigentlich allein hier?
Nein, meine Frau hat mich begleitet. Meine erwachsenen Söhne sind in Frankreich. Haben wir mal ein paar Tage frei, fahren wir nach Hause. Ich kann nun besser abschalten als auch schon. Wenn du 24 Stunden an Fussball denkst, siehst du die Dinge irgendwann nicht mehr klar. Wir gehen spazieren, oder ich fahre mal zwei Stunden Ski.
Im November hattest du einen medizinischen Notfall. Was genau ist passiert?
Es hätte dramatisch enden können. Es war dann aber nur ein kleines Problem am Herzen, meine Arterie war verstopft, und das ist unterdessen behoben.
Also kein Infarkt?
Doch, schon. Ich wurde operiert, man hat mir zwei Stents eingesetzt. Die Ursache allerdings bleibt unklar, vielleicht ist sie genetisch bedingt. Das Glück war mir jedenfalls hold, und ich war in den Händen von sehr kompetenten Menschen.
Wirst du deswegen kürzertreten?
Nein. Es geht ja wieder. Ich denke, es ist gerade in einer solchen Situation wichtig weiterzumachen. Einfach ohne Druck. Mir ist aber auch klar: Das wird mein letzter Klub sein. Ich werde nicht mehr zehn Jahre als Trainer arbeiten.
Und wie lange planst du noch, deine Tätigkeit in Sion fortzuführen? Den Rekord unter Constantin hältst du ja schon mit 20 Monaten.
Der Rekord ist mir egal. Ich würde den Verein gerne dabei begleiten, wie er in ruhigere Gewässer gelangt. Wenn ich hier noch drei, vier Jahre wirken kann, gerne. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung.